5 Tipps vom Coach für Ausbilder…
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ehrjahre sind keine Herrenjahre!“ Als ich vor über 30 Jahren meine Ausbildung zum Koch in einem Münchner 5-Sterne-Hotel begonnen habe, war dieser Spruch noch wirklich gelebter Alltag. Gott sei Dank haben sich die Zeiten geändert und es hat sich bei den meisten Führungskräften herumgesprochen, dass Erniedrigungen, Entwürdigungen und Entwertung keine adäquaten Mittel sind, jungen Menschen den in der Branche notwendigen „feinen Schliff“ beizubringen. Zwei Dinge sprechen eine klare Sprache, dass wir bezüglich der Ausbildungen in der Branche für viele Jahre auf dem falschen Weg waren. Zum einen, dass es bis vor ein paar Monaten nahezu unmöglich war, offene Ausbildungsplätze zu besetzen und zum anderen die vielen „kaputten Malocher“ in Küche, Service und Chefetagen, in deren Gesichter Rauch und Alkohol deutliche Spuren hinterlassen haben und die in der Mitte des Lebens plötzlich mit massiven mentalen und körperlichen Problemen kämpfen. Wir brauchen uns also nicht wundern, wenn es uns in letzter Zeit schwer gefallen ist, junge Menschen für ein (Berufs)leben am Gast zu begeistern. Jeder Ausbilder, der hier versucht, „alte Schule“ am Leben zu erhalten richtet da meines Erachtens echten Schaden für uns alle an!
Ermutigend sind die Nachrichten gerade von vielen „Neudenkern“ unserer Branche, die neue Wege gehen, ihre Betriebe zu Lehrschmieden umfunktionieren und gerade in Zeiten von Corona frei nach dem Motto: „Jetzt erst recht“, gewissenhaft in den Nachwuchs investieren. Beispielhaft dafür ist das bayerische Tagungshotel, dass in Coronazeit den kompletten Betrieb in Hände und Verantwortung der Auszubildenden gelegt hat, oder der Münchner Gastronom, der mit seinen Auszubildenden alle Lebensmittelhersteller der Region besucht hat, damit diese die Produkte mehr zu schätzen wissen. Ich möchte aber den Alltag von Auszubildenden und Ausbildern nicht nur romantisieren. Junge Menschen in den Beruf zu bringen, erfordert von Betrieb und Ausbildern ein ganz schönes Stück Arbeit und Kompetenz. Wir vereinen in unserer Branche traditionell ja nicht nur „25-jährige duale Studenten“, sondern auch oft junge Schulabgänger aus Haupt- und Realschule, die viele Basisfähigkeiten im Berufsleben erst lernen müssen. Ein 17-jähriger Jugendlicher beispielsweise mit fehlender Frusttoleranz, der noch stark nach dem „Lustprinzip“ agiert, sorgt bei manchen Ausbildern ganz sicher nicht nur für erfüllende Glücksgefühle. Auch für Ausbilder gilt hier deshalb eine der Grundregeln der agilen Welt: Der Flexibelste kontrolliert die Situation! Hier deshalb 5 Coach-Tipps deshalb für moderne Ausbilder:
Lehrjahre sind keine Herrenjahre?
- Gehirngerecht arbeiten
„Warum hat mein Auszubildender keinen Plan für nach der Ausbildung! Will er denn keine Karriere machen?“ Rein psychologisch betrachtet, wird manchmal von Auszubildenden etwas abverlangt, wozu sie einfach die Fähigkeiten noch nicht haben. Unsere Fähigkeit, große Zeiträume zu „denken“, entsteht im Frontalhirn. Dieser Bereich ist aber beim Menschen erst mit ca. 23 Jahren ganz ausgebildet. Manch Auszubildender ist mit der Frage: „Wo siehst du dich in 10 Jahren“ also einfach nur überfordert. Da aber Motivation und Zukunft untrennbar miteinander verbunden sind, ist es sinnvoll, mit Auszubildenden Ziele zu setzen, die eher kurz oder mittelfristig sind, wie zum Beispiel Wochen- oder Jahresziele. Ganz heiß ist jedoch der Tipp, mit jungen Menschen ein Tagesziel zu vereinbaren: „Das würde ich dir heute gerne zeigen und beibringen!“ Oftmals haben Berufsanfänger ja tatsächlich Probleme damit, einen Tag nach dem anderen zu meistern.
- Trainieren statt kritisieren!
„Der kann sich einfach nicht konzentrieren!“ Das trifft den Punkt ganz genau! Babys können sich 3 Sekunden auf eine Sache konzentrieren, Jugendliche ein paar Minuten und Erwachsene bringen es auf ca. 20 Minuten. Konzentrationsfähigkeit und Aufmerksamkeit müssen wir also genauso trainieren wie z.B. Frusttoleranz. Wir „Erwachsene“ haben nur oftmals vergessen, dass es auch für uns ein hartes Stück Arbeit war, ins Berufsleben zu finden und den Ansprüchen der anderen zu genügen. Was mir heute leichtfällt, fällt einem Auszubildenden oftmals alles andere als leicht. Jetzt noch mit Kritik einen draufzusetzen oder mit klugen Lebenssprüchen wie z.B.: „Du musst dich halt mal anstrengen!“, sorgt eher für Frust und widerstand. Das mächtigste Instrument heißt hier: ermutigendes Feedback! Die Faustregel lautet: Je geringer die Kompetenz, desto direkter das Feedback! Feedback gehört also weniger in ein Jahreszielgespräch als in den Alltag. Auszubildende müssen immer genau wissen und verstehen, was sie schon erreicht haben und was eben noch nicht. Ein Satz wie: „Das schaffst du schon noch!“, öffnet hier oftmals Türen, die bei Kritik hingegen eher geschlossen bleiben.
Der kann sich halt nicht konzentrieren…
3. Analogien nutzen
Mit vielen Anforderungen des Alltags kämpfen Jugendliche nur im Berufsleben. Bei Freizeit und Hobby erfüllen sie manche Anforderungen scheinbar problemlos. Mancher Auszubildender, der im Alltag eher Probleme hat, sich zu konzentrieren, hat gar keine Probleme damit, stundenlang komplexe Aufgaben in einem Videospiel zu meistern. Ein sehr geschickter Trick ist deshalb, Anforderungen mit anderen Lebensbereichen zu verknüpfen, in denen es einem jungen Menschen leicht fällt, diese zu erfüllen. Beim Fußball beispielsweise muss man Regeln befolgen, auf ein Ziel zugehen, kann man ein Ziel nur als Mannschaft erreichen usw. Der große Vorteil von Analogien ist, dass das nicht nur sehr gehirngerecht und verständnisvoll ist. Menschen haben oft in anderen Lebensbereichen bereits unbewusste Strategien entwickelt, um erforderliche Ressourcen (z.B. Mut, Selbstbewusstsein, Durchhaltevermögen) abzurufen. Werden solche Strategien in das Berufsleben übertragen, fließen solche Ressourcen praktisch als „Beifang“ mit ein.
Die ergrauten “Babyboomer”…
4. Stärken stärken
Wer sagt denn, dass Ausbildung immer nur in eine Richtung gehen muss? Da sitzt der Stachel mit Rollenverständnis von Lehr- und Herrenjahren vermutlich wieder tief! Unsere Krisenzeit hat ja aufgezeigt, dass wir alle ja irgendwie wieder „Lernende“ werden müssen. Auszubildende haben Stärken, Fähigkeiten und Talente! Gerade „Digital Natives“ verstehen beispielsweise Zusammenhänge und Wirkungsweisen der sozialen Netzwerke viel besser als die grau gewordenen „Babyboomer“. Aber auch der „Küchenazubi“, der vielleicht außergewöhnlich gut zeichnen kann, kann an irgendeiner Stelle im Unternehmen einen „Heldendienst“ erweisen. Das erfordert natürlich auch ein wenig abteilungsübergreifendes Denken. Dann entstehen aber durchaus Win-Win-Situationen der besonderen Art. Sich verantwortungsvoll in ein Unternehmen einbringen zu können, sorgt nicht nur für Zugehörigkeit, sondern stärkt auch noch das Selbstbewusstsein. Und ich als Unternehmer nutze vorhandene Potentiale damit endlich voll aus.
Das Thema “LERNEN” muss wieder zurück in den Alltag”
5. Querdenken
Manch Ausbildungsleitfaden in unserer Branche gibt nicht mehr das Anforderungsprofil im wahren Leben wieder. Wo hier Kammern zu statisch reagieren, müssen Betriebe Pionierarbeit leisten. Wer heute erfolgreich sein will, muss als Fachmann schon heute maximal flexibel sein, um in dieser Welt überhaupt noch einen Platz zu finden, in der Veränderung der Normalzustand ist. Nicht nur für Auszubildende, sondern für alle Mitarbeiter muss das Thema „Lernen und Entwicklung“ deshalb eine neue Bedeutung bekommen und einen Weg zurück in den Alltag finden. Gerade wenn wir bei jungen Menschen das Hauptaugenmerk auf das Fachliche legen, erzeugen wir vielleicht „gute Fachleute“ aber keine Meister! Die Geheimwaffe heißt „interdisziplinäres Lernen“, also übergreifend. Agile Unternehmen schicken ihre Auszubildende nicht nur in verschiedene Abteilungen, sondern beispielsweise zeitweise zum Imkern, Altenheimen oder Bauernhöfen, um aus ihnen Querdenker zu machen und um Kompetenzen wie Verantwortungsbewusstsein, soziales Gewissen oder Gewissenhaftigkeit zu vermitteln. Spätestens wenn wir in dieser Liga angekommen sind, wird es vermutlich auch leichter, offene Ausbildungsstellen in unserer Branche zu besetzen…